Menschliche Verluste

Aus Dorfchronik
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Menschliche Verluste durch die Ereignisse des zweiten Weltkriegs

Auf dieser Seite werden menschliche Schicksale, die durch den 2. Weltkrieg zerstört wurden, beschrieben. In schlichter Form werden uns diese Menschen in Erinnerung gebracht und dies soll uns auch ein Andenken sein.

Namensliste auf dem Kriegerdenkmal Obersiebenbrunn

Opfer bei den Kämpfen beim Einmarsch der Sowjets


Franz Schwarz, 1944

Franz Schwarz kam totkrank von der Ostfront nach Hause und verstarb hier in Obersiebenbrunn. Hier ein Bild von seinem, mit militärischen Ehren begangenem Begräbnis. Sohn von Heinich und Klara Schwarz Nr.11 (geb.1924) Auch sein Bruder Heinrich blieb in Russland vermisst. (Text von Gerhard Frohner)

Begraebnis Schwarz Franzl-1944.jpg
Die Frauen neben dem Sarg sind: v.l.n.r. Anna Fritz (verh. Grimling), Maria Fritz, Edith Tanzer (verh. Briebauer), Maria Kögl (verh. Brenner), Maria Radl

Fotoquelle: Gerhard Frohner

Heinrich schwarz.jpg Franz Schwarz.jpg

Rupert und Erich Höld

Die Familie Höld verlor 1944 beide Sohne. Die Hölds hatten ihren Bauerhof dort, wo heute Rusovics wirtschaftet.

Rupert Höld.jpg Erich Höld.jpg

Gedenken an Gefallenen


Gedenktafel an der Aufbahrungshalle des Friedhofs

Auf der Außenwand der Aufbahrungshalle des Friedhofs, links und rechts des Eingangs, sind Gedenktafeln montiert. Diese zeigen die Bilder von 54 von 81 verstorbenen Soldaten des 2. Weltkriegs. Bildquelle: Archiv der Marktgemeinde Obersiebenbrunn. Digital überarbeitet von Mag. Günther Zier.



Psychische Schäden, Kriegstrauma

Obersiebenbrunn hat die Kriegsfolgen auch von einer besonders schrecklichen Seite kennengelernt: In Obersiebenbrunn lebte lange Zeit ein Mann mit einem schweren Kriegstrauma.

Jetzt wird sein Zustand als „PostraumatischeBelastungsStörung“ (PTSD, „Posttraumatic Stress Disorder“) bezeichnet. So ungewöhnlich das Verhalten dieses Mannes auch war, davor ist auch in unserer modernen Zeit niemand geschützt. Es kann Jeden treffen. Verkehrsunfälle und Umweltkatastrophen können jeden Menschen sofort in ein psychisches Trauma werfen.

Nach dem 2. Weltkrieg beschäftigten sich nur wenige Leute mit den psychischen Folgen der Kriegserlebnisse. Die meisten waren froh, lebend die Katastrophe überstanden zu haben.

Wahrscheinlich litten sehr viele Menschen auch an psychischen Beeinträchtigungen durch die Kriegsereignisse und konnten trotzdem ein halbwegs „normales“ Leben führen. Vom inneren Leid drang nur wenig nach außen.

Mehr zu den psychischen Folgen eines schlimmen Erlebnisses: Posttraumatische Belastungsstörung

Hier wird von einem Mann berichtet, an den sich viele ältere Obersiebenbrunner/Innen vielleicht noch erinnern. Sein Leben wird kurz beschrieben. Gerhard Frohner hatte zu diesem Mann einen besseren Zugang, deshalb konnte diese Lebensgeschichte hier aufgezeichnet werde.

Der größte Teil des nachfolgenden Textes stammt von Gerhard Frohner und wurde von Mag. Günther Zier (Psychologe) etwas überarbeitet und ergänzt. Mit Respekt vor dem Menschen und seinem Leiden wird der Name des Betroffenen nicht genannt, daher wird die Abkürzung „NN“ verwendet. Diese Einschränkung erachten die Autoren dieses Artikels jetzt als notwendig, weil es damals den meisten sehr schwer gefallen ist, das Verhalten dieses Mannes zu verstehen. Als Kinder hatten wir große Angst vor dem „Verrückten“, aber wir hatten keine Ahnung, dass dieser Mensch mit sehr viel stärkeren Ängsten durchs Leben gehen musste. Und deshalb kein „normales“ Leben führen konnte.

Vielleicht kann dieser Text allen Personen, die NN gekannt haben, helfen, sein Leiden und seinen Lebensweg etwas zu verstehen. Aus heutiger Sicht ist es schwer nachfühlbar und kaum zu akzeptieren, dass wahrscheinlich niemand diesen Mann professionelle Hilfe geben konnte.

Das Leben von Herr NN

Herr NN wurde 1902 geboren, wohnte in Obersiebenbrunn. Er hatte einige Brüder und eine Schwester.

Er war ein braver arbeitsamer Mensch, der sich sein Geld das ganze Jahr über in diversen Schottergruben damit verdiente, indem er Sand gatterte (siebte) und Sand und Schotter auf Lastautos lud. Eine Schwerarbeit, denn einen Bagger gab es damals noch nicht.

Im Herbst war er in der Zuckerfabrik beschäftigt. Er lud die ankommenden Zuckerrüben in Akkordarbeit aus. Meist zu zweit entleerten sie die bis zu 25 Tonnen mit Rüben beladenen Waggons. Das war so seine Hauptbeschäftigung bis zum Kriegsbeginn. Dann holte man ihn zu den Waffen.

Kriegsdienst

In der deutschen Armee wurde er zum Einzelgänger. Vielleicht wegen der Sprachbarrieren, vielleicht auch wegen seiner politischen Ansichten. (Man sprach, er wäre Kommunist). Als Kinderloser, nicht Verheirateter bekam er die schwierigsten Einsätze zugewiesen. Nach seinen, in späteren Jahren kargen Erzählungen, erfuhr man, dass er andauernd bei den gefährlichsten Einsätzen mit dabei war. Ein Todeskandidat! Wahrscheinlich musste er auch bei Erschießungskommandos mitmachen. Verschüttet wurde er ebenfalls und all dieses formte sein weiteres Leben zum ängstlichen Einzelgänger, der sich ständig von irgendwo bedroht fühlte.

Das Leben nach dem Krieg

Da er immer auf der Hut sein musste, zog er es auch vor, nur im Freien zu schlafen, wo er ungehindert fliehen konnte. Im Gasthaus hatte er seinen Platz stets unmittelbar neben der Eingangstür, vermutlich deshalb, weil er von dort schnell wieder flüchten konnte.

Herr NN hasste und fürchtete den früheren Außenminister Gruber, warum weiß man nicht. Wenn NN diesen im Fernsehen im Gasthaus erspähte, rastete er total aus. Laut schimpfend schwang er seinen Prügel, welchen er sonst zum Gehen benützte und verließ fluchtartig die Gaststätte. Sein ständiges Menü war eine Knackwurst und ein Bier, im Winter Tee mit Rum.

Wohnstätten

Er hauste in Hütten, wo einige Strohballen zusammengeschichtet waren. Sommer und Winter, das ganze Jahr über war dies sein Zuhause. Wenn sein Verfolgungswahn ganz arg war, so lag er auch am Feld unter freien Himmel. Da konnte es tagelang regnen, er wurde immer wieder trocken.

Zu uns Frohner war er zutraulich. Vielleicht wegen der Schwiegermutter Anna Naimer, die er seit frühester Jugend als Nachbarin kannte. Als er dann bei uns arbeitete und nicht und nicht im Haus übernachten wollte, baute ihm Gerhard Frohner einmal eine Strohhütte in der Radl-Grube und als er dieses Quartier nicht mehr annahm, eine Hütte neben dem Haus Obermeier am Slowakenweg (Wiener Weg). Diese benutzte er über einen längeren Zeitraum, obwohl er auch andere Behausungen hatte. Manchmal hörte man ihn des Nachts laut schimpfend nach Hause ziehen. Er stieß wüste Drohungen gegen alle die er fürchtete, aus. Er hatte halt wieder seinen Verfolgungswahn!

Wanderungen

Herr NN war auch auf Reisen. Per pedes kam er bis nach Frankreich. Nach längerer Zeit, wo man ihn schon als vermisst abschrieb, tauchte er wieder in Obersiebenbrunn auf. Seine Wanderung führte ihn dabei auch durch die Schweiz. Nach seinen Angaben durfte man in der Schweiz nur gut gekleidet sein. Er galt dort als Vagabund und man wollte ihn ausweisen.

So entschloss er sich, sich rasieren zu lassen. Nach seinem Bericht wetzte ein Lehrmädchen das Rasiermesser und sah ihn verdächtig an und meinte zum Chef: „Herr Chef soll ich es wagen“. Herr NN fürchtete um seine Gurgel und verduftete schleunigst und unrasiert.

Oft fühlte er sich von Flugzeugen bedroht und ging in Deckung. Ein andermal wieder, als ihn Opichal Karl auf tieffliegende Rübenbomber im Spaß aufmerksam machte, winkte er ganz normal und lächelnd ab und meinte: „Karl da brauchst dich nicht zu fürchten“. Man wusste also nie, wie man bei ihm dran war.

Eines späten Abends kam er nicht mehr bis zu seinem Heim. Man fand in tot neben der Friedhofmauer liegend auf.
R.I.P.