Ratschenbuben

Aus Dorfchronik
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Ratschenkinder von Obersiebenbrunn

Text von Helga Hansi und Ing. Waltraud Hansi, Obersiebenbrunn
Quellen: Windbrechtinger: "Interessantes aus alter Zeit"
eingetragen von: --WikiSysop2 17:11, 10. Jan. 2010 (UTC)

Historische Hintergründe

Nach alter Tradition werden in katholischen Gegenden an den Kartagen die Kirchenglocken nicht geläutet. Der frohe Charakter des Glockengeläutes passt nicht zur Trauerstimmung dieser Tage, an denen das Gedenken an das Leiden und Sterben Jesu im Mittelpunkt der Liturgie steht. Die Glocken schweigen vom Gloria der Gründonnerstagsmesse an. Man sagt: „Die Glocken fliegen nach Rom.“ An ihre Stelle treten die Ratschen, mit denen zu den üblichen Läutzeiten die Gläubigen zum Gebet aufgefordert werden. Erst mit dem Gloria der Osternachtsfeier ertönen wieder die Glocken mit festlichem Klang.

Das Ratschen wurde bereits zur Zeit Karls des Großen im 8.Jahrhundert ausgeübt und geht bis ins 6.Jahrhundert zurück, als es noch keine Kirchenglocken gab.


Bauarten der Ratschen

Die Ratschen haben je nach Bauart unterschiedliche Formen. So gibt es Schubkarrenratschen, Kasten- oder Kurbelratschen, Flügelratschen und Hammerklappern. Grundlage ist ein Resonanzkörper aus Holz. Federnde Brettchen oder Holzhämmerchen werden durch das Drehen einer genoppten oder gerillten Walze angehoben und schlagen mit viel Krach auf.

Ratschen in Obersiebenbrunn

Bei uns in Obersiebenbrunn war es bis jetzt üblich, dass nur die Ministranten ratschen gehen. Seit 1990 dürfen in Obersiebenbrunn Gott sei Dank auch Mädchen ministrieren, weshalb sie auch beim „Ratschen“ mit dabei sind. Es gibt 5 Gruppen. Jede besteht aus ca. 4 Kindern ( ist von der Anzahl der Ministranten abhängig ) die sich aber innerhalb der Gruppe oft nochmals aufteilen, damit wirklich in jeder Gasse und Straße geratscht wird. Die ältesten Ministranten sind die Gruppenleiter. Am Gründonnerstag nach der Abendmahlmesse ist es bei uns Brauch, dass alle Ministranten mit ihren schön geschmückten Ratschen dreimal um die Kirche ratschen gehen. In unserem Dorf sind praktischerweise „Schubkarrenratschen“ üblich.


Ratschenzeiten

Karfreitag und Karsamstag: 6 Uhr, 12 Uhr und 18 Uhr

Jedesmal vor dem Ratschen treffen sich alle Ratschenkinder vor der Kirche und beten gemeinsam den „Engel des Herrn“, der nach altem Brauch dreimal täglich von allen Christen gebetet werden soll.

Ratschensprüche

Zum Ratschen gehören auch die richtigen Sprüche, mit denen die Gläubigen ans beten erinnert werden sollen.

Am Morgen: „Wir ratschen, wir ratschen zum Morgengebet, zum Morgengebet!“

Zu Mittag: „Wir ratschen, wir ratschen zum Engel des Herrn, zum Engel des Herrn!“

Am Abend: „Wir ratschen, wir ratschen zum Abendgebet, zum Abendgebet!“

Am Karsamstag zu Mittag nach dem Geld absammeln: „Wir ratschen, wir ratschen zum Dank für die Gaben, zum Dank für die Gaben!“

Ratschengeld

Am Karsamstag vormittag gehen die Ministranten von Haus zu Haus und bitten ums „Ratschengeld“, wobei die gesamte Summe den Ratschenkindern gehört. Für jedes mal ministrieren gibt es das ganze Jahr hindurch ein Stricherl auf der Ministrantenliste. Das Ratschengeld wird so berechnet und aufgeteilt, dass die eifrigsten Ministranten dann logischerweise auch das meiste Geld bekommen.

Ratschengehen als historisches Brauchtum unserer Kultur

Leider kennen viele neu Zugezogene den Brauch des Ratschens gar nicht mehr und deshalb beschimpfen manche Leute die Kinder sogar wegen diesem „Krach“. Es ist sehr traurig, dass heutzutage so unchristliche und sinnlose amerikanische Bräuche wie z.B. „Halloween“ jeder kennt und von den meisten auch unterstützt und gefördert werden. Aber alte christliche Bräuche mit religiösem, tiefsinnigem Hintergrund geraten leider immer mehr in Vergessenheit und viele können damit nichts mehr anfangen.

Die Ratsche am Kirchturm

Auf unserem Kirchturm stand einst sogar eine Turmratsche, wie aus nebenstehender Kirchenrechnung hervorgeht. Leider ist diese Rechnung der einzige Hinweis darauf und zum Glück erhalten geblieben. Diese großen Kistenratschen standen auf fast allen Kirchtürmen und zwar unterhalb der Glockenstube.

Rechnungsabschrift

Quittung

Ueber 4 Gulden 30 xr CM, ( *Anmerkung: Conventionsmünze ) welche der Gefertigte für die Reparatur der Kirchenthurm=Ratsche und einige Reparaturen im Pfarrhofe zu Obersiebenbrunn aus dem Kirchenvermögen daselbst richtig empfangen hat.

Obersiebenbrunn am 18.März 1857
Florian Schandl
Zimmermann

Diese Rechnung wurde von Pfarrer Joseph Neugebauer aufgesetzt und vom Handwerker nur mehr unterschrieben.

Original der Rechnung von 1857

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Historische Bilddokumente der Ratschenkinder Obersiebenbrunn

/Ratschenbuben1939

Ratschenbuben1980

Ratschenkinder2007

Ratschenkinder2009

Ratschenkinder2010

Ratschenkinder2011

Ratschenkinder2012

Ratschenkinder2014

Quellen