Anschluss 1938

Aus Dorfchronik
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Anschluss 1938

Zeitzeugen berichten

Erinnerungen eines 10-Jährigen
Ing. Gerhard Frohner erinnert sich.

Die Nacht vom 12. auf 13. März in Obersiebenbrunn, die Umsturznacht oder war es vielleicht der Fackelzug am 10. April?????

Zuvor hörte ich schon von illegalen Nazis, doch noch fange ich mit diesen Wort nichts an.

In der Nacht ist Lärm draußen. Musik ist zu hören. Von der Friedhofsecke her kommt ein Fackelzug. Fahnen mit Hakenkreuz, voran die Musik. Männer mit Armbinden, mit Fackeln und laute „Sieg Heil“-Rufe. Meine Freunde sehe ich auch. Mama erlaubt mir ebenfalls mitzulaufen. Auch ich beteilige mich bei dem Geschrei. Also geht der Zug der Bahnstraße entlang bis zum Chmelka Haus. Dort wird gewendet und mit lautem schreien von Parolen wie: „Ein Volk, ein Reich, ein Führer“ abwechselnd mit „Sieg Heil“ geht es zurück bis zum Schinhan Wirtshaus.

Dort war dann Schluss, -
oder war es der Anfang?

Steine fliegen zu den Fenstern des ersten Stockes des Kaufhauses Heller. Am Heimweg dasselbe. Ich sehe wie die Fenster beim Kaufhaus Preis zu Bruch gehen. Am darauffolgenden Tag: Beim Zier, wo die Fahrschule Piringer einen Raum für den Theorieunterricht hat, ist die Einsatzzentrale der SA (Sturmabteilung). Vorm Eingang an der Hauptstraße stehen zwei bewaffnete Posten. Immer wieder marschieren einige bewaffnete Männer aus, wir hintendrein. Man macht Hausdurchsuchungen bei den Juden, aber auch bei anderen „gefährlichen Leuten“. Beim Österreicher konfiszierte man Bilder. Beim Preis Heinrich, der Jäger war, die Jagdwaffen. In der Porschstraße holte man aus einem Haus die nagelneuen Uniformen des Vereins „Jung Österreich“. Ein Trupp marschiert an die Untersiebenbrunner Kreuzung und kontrolliert dort die damals noch spärlich fahrenden Autos. Alles todernst!

Nach und nach wenden wir uns aber wieder für uns Buben wichtigeren Dingen zu.


Nachstehendes Bild zeigt Männer der SA (Schutzabteilung) vor der Volksschule Obersiebenbrunn. Der Hauptplatz wurde schon in "Adolf Hitler - Platz" umbenannt. Datum ist unbekannt. Jedenfalls wird hier ein wichtiges Ereignis zelebriert, möglicherweise die Abstimmung am 10. April 1938

SA vor der Volksschule.gif
Bildquelle: Mag. Günther Zier

Eintragung in der Schulchronik

transkribiert von Helga Hansi, Obersiebenbrunn

Am 7. IV. werden die Schulen geschlossen. Vorbereitungsarbeiten für die Abstimmung.

10. April. Als Abstimmungslokal wird das Turnzimmer im Schulhause bestimmt. - Ab 7 Uhr früh strömen die Leute in Massen zu, um ihre Stimme dem geliebten Führer zu geben. Gegen Mittag haben fast alle Stimmberechtigten abgestimmt. - Große Spannung.
Am Abend um 5 Uhr wird geprüft. Stimmberechtigt waren 837 Leute. Abgegeben wurden 837 Stimmen mit "Ja". Großer Jubel! Die Gemeinde erhält also ein vom Führer unterfertigtes Diplom!

11. März (gemeint ist April, Anm. Redaktion) - Aus Anlaß der 100%igen "Ja" Abstimmung findet ein großer Fackelzug statt.

Überlieferung zur Abstimmung

Es wird überliefert, das es 1 "Nein"-Stimme gab. Die Bevölkerung war deswegen sehr verunsichert und ließ diese Nein-Stimme verschwinden. (Bericht v. Gerhard Frohner, Zeitzeuge)


Erich Prem berichtet im Heimatbuch Obersiebenbrunn:

"Am 10. April fand eine „Abstimmung" im gesamten Reich statt (Bekenntnis des deutschen Volkes in seiner Gesamtheit des durch die Wiedervereinigung mit Österreich geschaffenen Großdeutschen Reiches und die Reichswahl.). Das Wahllokal war in der Schule. Aus Anlaß der 100%-igen „Ja-Ab Stimmung" fand ein großer Fackelzug statt." Literatur: Prem, E., Heimatbuch Obersiebenbrunn, Obersiebenbrunn: Marktgemeinde Obersiebenbrunn, 1990. Seite 115

Die Nazis errichteten die Ortsparteileitung im Haus Nr. 53. Nachfolgendes Bild zeigt rechts neben dem Tor, ein Fenster daneben, die Tafel mit der entsprechenden Aufschrift.

Hauptquartier der NSDAP.jpg



Gemeindebürger welche im Jahre 1938 Obersiebenbrunn verlassen mussten:

Basel Leopold und Theresia

Basel Karl, Kaufmann mit Frau und Tochter

Basel Ignaz, Bauer

Didner Samuel Dr., prakt.Arzt

Heller Otto, Kaufmann mit Gattin und Tochter Hermine

Moranz Josef, Frisör mit Gattin Hedi und Sohn Karl, Tochter Berta

Neuer, Tischlermeister und Gattin

Österreicher Hugo, Uhrmacher und Greißler mit Gattin Rosa, Söhne Kurt und Robert

Preiß Heinrich, Kaufmann mit Gattin Anna und Tochter Sieglinde

Preiß Jakob und Sohn Hugo

Text: Gerhard Frohner

Erster Mai - Feier 1938

Der Erste Mai 1938 wurde besonders gefeiert:
In der Schulchronik (1.Sept. 1925 - 9. Nov. 1942) findet sich folgender Eintrag, Seite 27.

"1. Mai 1938: Weckruf durch die Ortskapelle um 6:00 Uhr früh. Festzug und Gemeinschaftsempfang der Rede unseres Führers Adolf Hitler auf dem Hitler Platz vor der Schule. Im oberen Stockwerk bei dem mittleren Schulfenster und im Hause Pflanzer, gegenüber der Schule, sind Lautsprecher von der S.A. aufgestellt. Die Witterung ist besser geworden, es lacht die Sonne, als dürfe sie sich freuen. - Am Abend ist dann Volkstanz bei Herrn Karl Zier."
(Transkription von Helga Hansi)

Bild: Eine Volkstanzgruppe geht auf der Hauptstraße Richtung Gänserndorferstraße. Es ist Nachmittag. Möglicherweise ist dies der Aufruf, am Abend beim Volkstanzen im Gasthaus Zier mitzutun.

ErsterMai-Feier 1938.jpg